Landwirtschaft und Ernährung um 600 n. Chr

Im Frühmittelalter fand eine Verschmelzung  der griechisch-römischen mit der germanisch-keltischen Kultur statt, die auch zu einer Vermischung der Ernährungsgewohnheiten führte.



Bei den Germanen wurde im Gegensatz zu früher weit mehr Getreide verbraucht und – durch die Verwendung im kirchlichen und klösterlichen Bereich - in verstärktem Masse auch Wein angebaut.



Der früheste Anbau von Weintrauben durch Alemannen in der heutigen Schweiz ist in Thayngen, im Kanton Schaffhausen belegt. Vermutlich sind es die ersten Versuche, Weinstöcke auf Kalkböden zu ziehen. Die Erfolgsgeschichte dieses Weinanbaus ist uns bestens bekannt und sehr bekömmlich.

Erstaunlicherweise gehörten mancherorts auch Feigen zu den kulinarischen Genüssen – und sind wie die Trauben ebenfalls ein Vermächtnis der Römer.

Im Gegenzug veränderten sich die mediterranen Essgewohnheiten durch die Einwanderung germanischer Stämme in die ehemals römischen Gebiete südlich der Alpen.

In der Folge wurde in diesen Gebieten mehr Fleisch konsumiert und die Wald- und Weidewirtschaft intensiviert. Der Weizenanbau ging auf Kosten weniger pflegeintensiver Getreidesorten wie Gerste, Hafer, Dinkel, Hirse und Roggen zurück.

Die gemischte Ernährung unter gleichzeitiger Verwendung von Getreideprodukten, Gemüse, Fleisch und Fisch setzt sich allmählich durch.

 

 

 

 

 

 

Je nach Naturräumen bilden sich jedoch regional verschiedene Ernährungsgewohnheiten heraus. Nur Lein und Hanf, als Lieferanten von Öl und Textilfasern sind so wichtig, das sie überall angebaut werden.



Die Ernährung  zu dieser Zeit ist aber durchaus abwechslungsreich. Vor allem ist sie allen Teilen der Gesellschaft zugänglich, weil es noch keine sozialen Schranken gibt, die gewisse Gesellschaftsschichten von deren Nutzung ausschliessen, wie sie vom Mittelalter an bestehen.

Die Ernährung unterschied sich höchstens in der genossenen Menge. Weiter ist das Verhältnis zwischen Nahrungsangebot, bzw. Nahrungsproduktion und Bevölkerungsdichte so, dass Überschüsse die Ernährung sichern. Ob die Dreifelderwirtschaft bereits Anwendung fand ist nicht gesichert.



Das Schema zeigt eine Urform der Ackerbewirtschaftung, die durch wechselnde Nutzung dem Auslaugen der Böden entgegenwirkte.



"Salzburger Kalendarium"
Die hier vorliegende Buchmalerei, ist eine der bekanntesten mittelalterlichen Darstellungen landwirtschaftlicher Arbeiten in Abhängigkeit vom Jahreszyklus. Die Entstehungszeit liegt zwar zwischen 809 bis 818, aber die bäuerlichen Aufgaben waren im Frühmittelalter ebenso jahreszeitlich bedingt und dürften damit identisch gewesen sein.

Nahrungsmittel

Bei der tierischen Nahrung dominiert vor allem das Schwein, weil es nebst dem Fleisch insbesondere das benötigte Fett liefert. Geschlachtet wird wegen der Haltbarkeit des Fleisches im November oder Dezember. Rauch- und Pökelfleisch bilden den Wintervorrat, die Alemannen stellten auch Würste daraus her.

Schweine wurden in nicht bebaubaren Feuchtwiesen und in Wäldern gehalten (Waldmast). Sie sind Allesfresser und waren daher weitaus einfach als Rinder zu halten. Überdies weisen sie eine sehr hohe Fertilität (Geburtenrate) auf.

Bild: Wollschwein mit Jungen; Pro Specie Rara

 

 

Rinder dienten den Alemannen in erster Linie als Milchlieferanten und als Zugtiere (nie hätte man ein edles Pferd vor einen Pflug gespannt). Daher wurden die Tiere erst geschlachtet, wenn sie keinen Nutzen mehr brachten - womit sie sich auch von der römischen Rinderhaltung unterschieden.



Ein Ochsengespann auf einer Darstellung aus dem 11. Jahrhundert.
Quelle: British Library.

Mensch und Rind verbindet eine Jahrtausende alte Beziehung. Der Ursprung der Rinderhaltung liegt im vorderen Orient und wird auf das siebte Jahrtausend vor Christus datiert. Die Arbeitskraft des Rindes war bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts unentbehrlich für die Landwirtschaft. Das „klassische“ Zugtier des frühen Mittelalters war, wie bereits in der Antike, der Ochse.

Zur Verdeutlichung des Grössenunterschiedes der Rinder, ist der Schädel eines römischen Rindes (oben) und der Schädel eines germanischen Rindes (unten) im selben Maßstab dargestellt.

(Zeichnung E. Pucher)

 

 

 

 

 


 

Die sichtbar grösseren Rinder der Römer dienten vor allem der Fleisch- und Milchproduktion.

Schafe sind hauptsächlich Wolllieferanten, bereichern aber als Hammel und Lamm den Speisezettel.

Bild: Engadinerschaf; Pro Specie Rara

 

 

 

 

Ziegen spielen eher in den alpinen Regionen als Milch- und Fleischlieferanten eine Rolle und sind im Rheingebiet weniger vertreten.

Bild: Kupferhals-Ziegen; Pro Specie Rara

 

 

 

Geflügel, wie Gänse und Hühner, hält auf den Höfen immer mehr Einzug. Sie werden besonders der Eier und des zarten Fleisches wegen geschätzt, aber auch wegen der Federn für Pfeile und nicht zuletzt als Füllung für die Kissen.

Bild: Diepholzer Gänse; Pro Specie Rara

  

 

Fische

Alemannische Siedlungen sind an Gewässern und sehr oft auch an alten, seit der Römerzeit bestehenden Flussübergängen anzutreffen. Der Fang von Fischen, namentlich von Hecht, Salm, Forelle und Aal, sind seit dem Paläolithikum belegt. Es ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass der Fischfang auch von den Alemannen, in Verbindung mit den Grund- und Besitzrechten, ausgeübt worden ist.



Forelle Alemannenherzog

Gib gutes Salz und frischen Dill in den gesäuberten Fischbauch. Fülle ihn hernach mit gewaschenen, in Längsstreifen geschnittenen Frühlingszwiebeln und lasse den Lauch daran so lange stehen, als der Fischbauch es zulässt. Nimm drei Streifen Speck, umwickle den Fisch so, dass sein Bauch verschlossen wird. Spiesse nun die Forelle vom Kopfe her auf Haselstöcke und brate ihn über kleinem Feuer gar.

Nach Beroharti

Alemannische Lebensmittel
 

Gemüsesorten
Rote Bete
Lauch
Rettich
Ackerbohne (Vicia Faba)
Erbsen
Linsen
Mohrrüben
Spargeln
Zwiebeln
Knoblauch
Kohl
Spinat

Getreide
Weizen
Dinkel  (typisch alamannisch)
Gerste
Rispenhirse
Einkorn
Roggen
Hafer

Gewürze
Kümmel
Salz
Mohn
Kräuter (Dill, Salbei, Liebstöckel, Beifuss, Fenchel, Sellerie, Minze, Kerbel, etc.)

 

Milchprodukte
Milch  (Kuh, Schaf, Ziege)
Butter
Käse
Quark

Andere tierische Produkte
Eier

Wildgemüse
Ampfer
Kresse
Bärlauch
Pilze

Süssstoff
Honig

Früchte
Birnen
Äpfel (Wildäpfel)
Trauben
Quitten
Pflaumen
Feigen
Pfirsiche
Kornelkirsche*
Schlehen*
Mispeln*
*Wildsorten

 

Fleisch
Rind
Schwein
Schaf
Geflügel (Hausgans*, Hühner)
Wild (Hirsch, Wildschwein, Hase, Fasan)
Fisch (Lachs, Hecht, Forelle, Aal)
*indogerm. Ghans

Beeren
Erdbeeren
Himbeeren
Vogel- Traubenkirschen
Hagebutte
Holunder
Heidelbeere
Sanddorn

Nüsse
Haselnüsse
Walnüsse

Öl
Flachs
Leindotter

 

Diese Lebensmittelliste erhebt kein Anspruch auf Vollständigkeit und ist auch nicht abschliessend. Sie soll lediglich einen Überblick darüber verschaffen, was aufgrund verschiedener Funde grundsätzlich zur Verfügung stand.

 

 

 

 

Bienen lieferten nicht nur den begehrten Honig zum Süssen der Speisen und zur Herstellung von Met, sondern auch kostbaren Bienenwachs.

 

 

 

 

Es gilt zu berücksichtigen, dass es sich beim Met – obwohl er heute an jedem Mittelaltermarkt feil gehalten und getrunken wird – um ein überaus kostbares Getränk gehandelt haben dürfte. Weitaus kostengünstiger und daher weit verbreitet war hingegen das Bier, das bisweilen mit Honig versetzt wurde.

Bienenwachs für die Herstellung von Kerzen ist ebenfalls aus verschiedenen Grabbeigaben belegt. Dass Kerzen, zusammen mit kunstvoll gedrechselten Leuchtern, lediglich in reichen Grabausstattungen anzutreffen sind, deutet darauf hin, dass die Beschaffung von Bienenwachs ebenfalls sehr kostspielig war.

 

 

 

Landnutzung

Die gesamte von einer Dorfgemeinschaft beanspruchte Weide-, Acker- und Waldfläche sowie Allmende* wurde als Gemarkung bezeichnet. Gemarkung bedeutete ursprünglich „Grenze“. Innerhalb einer Gemarkung liegen auch die Hofstellen mit den zugeteilten Fluranteilen, sogenannte Hufen*. Später entwickelten sich daraus die Gemeindegebiete, die noch heute sehr oft mit der alten Gemarkung zusammenfallen.



Das typische Hufendorf Schönbrunn im ehem. schlesischen Herzogtum Sagan. Die äussere Grenze bildet die Gemarkung, welche in fast gleich grosse Flurstreifen (Hufen) eingeteilt ist.

(Bild aus Wikipedia, freie Enzyklopädie)

Eine alemannische Hofgemeinschaft mit allen Familienangehörigen benötigte zum Lebensunterhalt rund eine Hufe*, das hiess etwa dreissig bis vierzig Jucharten Ackerland. Der Juchart ist ein in der Schweiz bis Mitte des 20. Jahrhundert gebräuchliches Flächenmass und entspricht der Ackerfläche, die in einem Tag mit einem Ochsen unter dem Joch (Juchart) gepflügt werden kann.

Da Landmasse meist auf Schätzungen von Arbeitsprozessen beruhten, war ein Juchart nicht immer gleich gross. Der Juchart variierte je nach Geländebeschaffenheit. Im Mittelland lag die Einheit für Ackerland zwischen 27 und 36 Aren. Je hügeliger und steiler das Land, desto kleiner der Juchart. Im Rebbau mass der Juchart beispielsweise nur noch zwischen 3 und 4 Aren. Ab 1836 wurde in den deutschsprachigen Kantonen der Schweiz, der Juchart einheitlich auf genau 36 Aren festgelegt. Eine Hufe entspricht dem entsprechend rund 16 Hektar Land.

*Begriffserklärung:

Hufe: In den alemannischen (germanischen) Eroberungs- und Siedlungsgebieten bezeichnet sie das Sondereigentum eines Stammesangehörigen an Grund und Boden, einschliesslich der Hofstelle sowie aller Rechte an der Allmende. Innerhalb einer Gemarkung waren die Hufen einigermaßen gleich gross, im Durchschnitt etwa 16 Hektar. Dabei erachtete man es als vorteilhaft, die Hufen als sehr lange und relativ schmale Flächen auszugestalten.

Allmende: ist eine Rechtsform gemeinschaftlichen Eigentums. Als landwirtschaftlicher Begriff bezeichnet die Allmende den Gemeinschafts- oder Genossenschaftsbesitz, abseits der in Hufen aufgeteilten landwirtschaftlichen Nutzfläche. In der Schweiz sind Allmenden noch heute Allgemeingut und grundsätzlich weder käuflich noch veräusserbar.

Beitrag von Peter Mäder

Fotos von Peter Mäder, sofern kein anderer Quellenhinweis besteht

Quellen

Anne-Marie Dubler, Masse und Gewichte im Staat Luzern und in der alten Eidgenossenschaft.

Dorothee Rippmann  und Brigitta Neumeister-Taroni, "Gesellschaft und Ernährung um 1000“, Begleitschrift, Museum für Ernährung, Vevey

Die Schweiz vom Paläolithikum bis zum Mittelalter, Band VI, Verlag Schweizerische Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte, Basel